Wenn die Chemie stimmt
Die Chris Robinson Brotherhood meldet sich 2016 mit einem neuen Album zurück. Dabei handelt es sich um den mittlerweile vierten Longplayer der Bluesrocker.
Für die Albumsessions zog es die Band diesmal in den Norden Kaliforniens, wo sie an der Seite eines Berges mit Blick über den Pazifik aufnahmen. Statt aber wie sonst mit einer Handvoll fertiger Songs ins Studio zu gehen, begannen sie erst einmal mit ausgiebigem Jammen. Alles, was Bandleader Chris Robinson mitbrachte, waren Songfetzen, Refrains, Melodien, nichts weiter.
So ließ die Bruderschaft ihre ganze Erfahrung und Kreativität spielen, nahm alle Songs selbst auf und produzierte "Anyway You Love, We Know How You Feel" kurzerhand in Eigenregie. Die Platte wird zudem bei Chris Robinsons eigenem Label Silver Arrow Records veröffentlicht.
Das Resultat zeigt, dass die Chemie nach zwei Jahren auf Tour einfach stimmt. Und auch der neue Drummer Tony Leone, der auf "Anyway You Love, We Know How You Feel" erstmals mit von der Partie ist, fügt sich perfekt in den Signature-Sound der Band ein.
Der liegt wie schon bei ihren Vorgängern irgendwo zwischen Blues- und Psychedelic Rock. Zum wiederholten Mal nimmt die Chris Robinson Brotherhood ihre Hörer so mit zurück in die 1970er-Jahre. Einen ersten Vorgeschmack auf das neue Album gab die Band bereits im Mai 2016 mit dem Song "Narcissus Soaking Wet".
"Anyway You Love, We Know How You Feel" zeigt, was möglich ist, wenn die Chemie innerhalb der Band einfach stimmt: psychedelischer Bluesrock in Perfektion.
Von Sonne und Meer geprägtes viertes Vollwerk der Brüderschaft, zeitlose amerikanische Rock-Kunst, gelassen dargereicht in herz- und lustvoll ausgespielten Song-Epen zwischen sattem Southern Rock, vokalharmonischem Westcoast, sonnengereiftem Yacht-Rock und feinstem Funk. Improvisationsverliebt in den nordkalifornischen Bergen (mit Blick auf den Pazifischen Ozean) eingespielt, atmen die acht ausschweifenden Saft-Rock-Stücke eine durch jede Zeile gleißende Freiheit, man spürt den im gemeinschaftlichem Spiel entstandenen Weisen das befruchtende Wirken des kongenial agierenden Quartetts an , auch der neue Schlagwerker Tony Leone (Ollabelle, Levon Helm) fügt sich nahtlos ins Gruppen-Werk ein, das nach wie vor aber vom kreativen Doppelkopf Robinson/Casal bestimmt wird. Während der eine mit seiner markant schneidenden Stimme seine unverkennbaren Spuren hinterlässt, sorgt der andere mit seinem reif-rockigen Saitenspiel für ein Stil- und Zeiten-vereinendes, von immenser Handwerks-Kunst und beeindruckender Erfahrung getragenes Abbild der goldenen Jahre der amerikanischen Rockgeschichte. Bereichert um allerlei Tastenwerk (mit der Betonung auf 70’s Analog-Keyboard-Klänge zwischen Rhodes, Clavinet, Boogie-Piano und fetten Synth-Tupfern), markante Mundharmonika und vielstimmige Vokalharmoniesätze entstehen naturnah fließende, Groove- und Riff-reiche Reif-Rock-Songs, die ihre Vorbilder nicht verleugnen, aber dennoch in einer Klasse ganz für sich spielen. Und während die Hauptakteure sich rein äußerlich (vor allem bartwärts) immer mehr in Steve Earle-Richtung bewegen, kocht ihr musikalischer Eintopf, mal verhalten, mal heftig, zwischen Stevie Wonder und Allman Brothers Band, Jamiroquai und Rolling Stones, um schließlich mit einem The Band-werten Cosmic American Music-Kehraus seine wahren Wurzeln zu offenbaren. Saftig, reif und gut.
(cpa, Glitterhouse)