Mit der eigensinnigen Singer-Songwriterin hat eine weitere Perle Portlands ihren Weg in den City Slang-Schatz gefunden und sie dankt es dem neuen Heimathafen mit einem 10-Song-Reigen, der für ihre düsteren Verhältnisse vor Optimismus nur so strahlt. Wer aber die ersten beiden beeindruckenden Alternative-Folk-Alben des Tucker Martine-Schützlings kennt, der wird sich an die tiefe, fast schmerzliche Melancholie erinnern, die dunkel aus ihren wehen Weisen schimmerte, und so ist das 2012er La Grande für die Künstlerin wie für ihre treue Gefolgschaft ein mitreissender Sprung ins Licht. Zwar bleiben die Arrangements bei aller instrumental-abwechslungsreicher Vielschichtigkeit, ja flirrenden Farbigkeit stets dezent und durchscheinend, lugt leise Tragik auch in den fröhlichsten Momenten durch die Zeilen, ist die fragile, feine Feen-Stimme der bezaubernden Sängerin weiterhin der bestimmende Mittelpunkt der Filigran-Folk-Kunst, dennoch überwiegen die optimistischen Töne, das beschwingte Schweben, sogar luftig-leichtfüßiges Tanzen ist erlaubt. Dabei versteht es die begnadete Folk-Song-Schreiberin in ihrer Kunst vielerlei Wurzelwerk zu vereinen, Southern Gospel, Bluegrass, Roots-Rock, Desert-, Gothic und Alternative Country bilden die Basis, Elemente aus artifiziellem Folk-Pop und aus dem Barock werden kunstvoll mit eingewirkt, und so entsteht ein federleicht vielfarbig gewobenes Netz aus vielerlei akustischem und elektrischem Saitengespinst, Geigen und Kontrabass, bunt-polterndem Schlagwerk, Piano, Glockenspiel und Holz-Gebläse, welches kaum noch mit schmalen Worten zu fassen ist. Zur nachhaltigen Wirkung des Werkes trugen unter anderem gute Bekannte wie Adam Selzer (M. Ward), Joey Burns, Meric Long und Logan Kroeber (Dodos), Nate Query und Jenny Conlee (Decemberists) bei, aber es ist die faszinierende Frau im Fokus des Albums, die die Vielschichtigkeit des Albums prägt. Die kühl-kunstvolle Eleganz einer Leslie Feist, die wurzelnahe Natürlichkeit einer Gillian Welch, die spröde Schönheit einer Cat Power, gepaart mit 16 Horsepower-Intensität, knarzender Calexico-Bodenhaftung, Leonard-Cohen-Tristesse und Sufjan Stevens-Arrangement-Raffinesse – all das findet das offene Ohr in La Grande. Aber das tieferschürfende Hörer-Herz findet noch viel mehr.
(cpa, Glitterhouse)