Oh ja, das ist das Album auf das der Fan nach all den Irrungen und Wirrungen nach dem Höhepunkt Car Wheels On A Gravel Road gewartet hat. Nicht geplagt von Erfolgsdruck, einer tief enttäuschten Liebe und anschließender Verbitterung, sondern geprägt von einer glücklichen Ehe, zelebriert sie mit Blessed das Überleben, die Wiedergeburt und das Wissen, dass es nie zu spät ist, Dinge in die Hand zu nehmen und zu ändern.
Der Opener Buttercup ähnelt Drunken Angel von Car Wheels, aber der Ton ist optimistischer, der Schmerz liegt zurück und tut nun weniger weh. Sie singt über verlorene Liebe und Menschen aus der Vergangenheit, aber das Kapitel ist geschlossen, die old times werden nicht zurück gewünscht. Zeit vergeht, Liebe kommt, Liebe geht, Dinge werden verarbeitet und abgehakt, so ist das Leben. Nimm das Leben wie es ist, das ist das Credo von Blessed, ausgegeben von einer Lucinda Williams, die in sich ruht.
Natürlich ist der Sound ganz klar Lucinda, das hört man schon bei den ersten Gesangsfetzen, die man wohlwollend zur Kenntnis nimmt, denn ihre Stimme kommt klar, kräftig und positiv, wo die Weinerlichkeit zu Zeiten der Depression schon mal hart an den Nerven sägen konnte. Und je tiefer man eintaucht in Blessed, umso mehr Feinheiten und Nuancen entdeckt man, erfreut sich daran, daß die patentierten Balladen noch etwas tiefer gehen und das sie bei den Rockern die Gitarristen ein ums andere Mal von der Leine lässt – ist das wirklich Elvis Costello auf Seeing Black? Bärenstarkes Songwriting von 1 bis 12 – wie immer begeistert die Balance zwischen Songstruktur und Melodie, von langsam und heftig, von laut und leise - wobei der vorletzte Song – Awakening – bei einer Lucinda Best Of ganz klar in die Top-3 gehört. Ein dunkles Stück Musik, schon bei den ersten gepickten Gitarrentönen merkt man, dass hier etwas besonderes passiert – ein düsterer Ritt in die Untiefen der Psyche, schleppende, sich aufbäumde Gitarre und ein Song, der bis auf die Knochen schneidet. Grandios.
Don Was hat produziert, Greg Leisz ist an den Saiten dabei, Butch Norton und David Sutton als Rhythmusgruppe, Rami Jaffe an den Tasten und mit Mr. Costello, DJ Bonebrake und Matthew Sweet auch einige Gäste.
Das Album kommt in der Deluxe-Version im Papp-Klappcover mit Booklet und zweiter CD als Bonus – den Kitchen Tapes, mit allen Albumsongs in nackten Soloversionen. Das Doppelvinyl (hat die 60 Minuten des regulären Band-Albums) bekommt als Dreingabe beide CDs und ist so extrem limitiert, das es wohl keinen Monat überstehen wird.
Blessed ist fraglos eines der besten, in sich geschlossensten und schönsten Alben von Lucinda Williams in einer Discographie, die sowieso auf sehr hohem Level ist. Ganz heisser Tipp! (rh)
(Glitterhouse)