Seit ihren Vogelbeobachtungen waren uns Nils und seine Band ans Herz gewachsen. Später sowieso, als wir die Musiker als Menschen näher kennenlernen durften und sie mit zu unseren OBS-Dauergästen zählten. Aber schon vorher, als das eigenartig Spröd-Trockene ihrer Country-Vision durchs Zimmer wehte, als man sich auf einmal nicht mehr schämte, bei etwas mit deutschem Text voll Inbrunst mitzusingen. Auch wenn es fast unmöglich ist, Nils Melodie- oder auch Un-Melodiebögen stimmlich exakt zu folgen. Da legt man sich doch lieber zurück und genießt die Geschichten, die Gedanken, die Szenen, die kaum jemand so plausibel in Liedtexte fassen kann wie der Fink-Kopf. Und egal, ob Fisch im Maul oder Hund im Hof: Fürs eigene musikalische Langzeitgedächtnis waren die Fink-Platten von folgenschwerer Bedeutung. Was man kaum zu hoffen glaubte, bestätigte sich dann spätestens beim ersten Konzertbesuch (wenn man nicht vorher schon von begeisterten Stimmen vorbereitet war): Americana in deutsch funktioniert auch und gerade live.
Gute Idee also – und klarer Fall von „wurde aber auch Zeit“ – mit einem Live-Album das Konzerterlebnis zu konservieren. Um aber der Fink-Vielseitigkeit gerecht zu werden, entschloß man sich, nicht ein Konzert aufzuzeichnen, sondern das Tourjahr 2001 zu begleiten und aus dem Material ein Album zusammenzustellen, das die Band sowohl in kleinem Rahmen zeigt als auch beim großen Abschlußkonzert im Hamburger Schlachthof. So fallen die prophetischen Worte von Nils, dass man hier der Entstehung eines Live-Albums beiwohne, in eine Atmosphäre von stickiger Luft, Zigarettenqualm & Biergespräch; spürt man bei Stücken wie „So faß ich’s an“ förmlich die räumliche, fast körperlich Nähe zwischen Fink und Fan; fühlt man bei anderen Stücken die weite Luft größerer Hallen, die den runder, voller gewordenen Arrangements Raum zur akustischen Entfaltung geben.
Wieviele heimliche Hits die Jungs schon in unsere Hirn gebrannt haben, wird einem beim Anhören der 74 Minuten erst richtig bewußt: Meine Braut schleicht sich wieder leise-morbid in das Ohr, luftig-leicht macht man einen Strich In Den Tag, der Hund läßt in der Live-Version die Vision eines Sonnenuntergangs vor dem geistigen Auge entstehen, Runter Vom Pferd wird mit Trompete zur Calexico-Hommage, der Fisch Im Maul groovt jetzt rollend durch den Kopf, der Messerkampf ist purer Crime-Jazz der schwarzen Serie. Und Er Sieht Sie An, Herz Aus Holz oder Wenn Du Mich Suchst sind sowieso gute alte Bekannte geworden, die ein seliges Lächeln zu erzeugen wissen.
Bei den Arrangements zeigen sich Fink Dank größerem Instrumental-Angebot weit vielseitiger als in den frühen Tagen: Da blitzen Trompeten auf und ein Harmonium verleiht „Irgendwann Regen“ eine fast sakrale Stimmung. Aber auch die neuen Versionen atmen diesen eigenartigen Charme, der schon bei dem Debut den Ungläubigen bekehrte. Und es ist schlicht Charme, der aus diesen Stücken strahlt, aus der unbekümmerten Verbindung von fernheimatlichen Wurzel-Klängen mit heimischem Idiom ohne dabei ins Straucheln zu geraten, sondern vielmehr eine entwaffnende Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Und so fehlt bei manchen naturbelassenen Stücken mit Gitarre, Bass, Schlagwerk, Fiddle & Melodica nur noch ein eingejauchztes Yee-Ha, um das Bild abzurunden.
(Glitterhouse)
Frankfurt / Main: „Alles Scheiße in Hamburg – Fink im Nachtleben”
„Die Richtung kommt von vorn entgegen”, singt Nils Koppruch. Vorn steht jedenfalls die Hamburger Band Fink auf der Bühne des Nachtlebens (Frankfurt). Obwohl sie aus der Hansestadt kommen, haben die fünf Musiker mit der sogenannten „Hamburger Schule” musikalisch nichts zu tun. Gerne werden sie in die Country-Ecke gesteckt, aber das Banjo und die Steelguitar spielten beim Konzert eine eher untergeordnete Rolle. Dem Franfurter Publikum präsentierte sich Fink rockiger als auf den bislang vier erschienenen Studioalben. Stellvertretend für Finks melancholische Seite standen die Songs „Wenn du mich suchst” sowie die letzte Zugabe „Dass sie weiß”. Koppruchs Erzählstimme, flankiert von einer vorsichtigen Gitarre, Kontrabass und Drums, traf auf eine fanfarenartige, aber tief sehnsüchtige, von Martin Wenk gespielte Trompete. Da durfte man schon ungeniert den Tränen freien Lauf lassen. Für eine geplante Lice-CD wurde das Konzert im Nachtleben mitgeschnitten. Dumm nur, dass Nils Koppruch während der ersten Zugabe „Ich kümmer mich darum” prompt einen Texthänger hatte und vorher schon eine technische Panne überbrücken musste. Mit gekonnter Improvisation brachte er jedoch die Konzertgäste zum Lachen und sammelte jede Menge Sympathiepunkte, genauso wie die ganze Band mit ihrer Musik.
(Frankfurter Rundschau, Gérard Otremba)